Menschenhandel und Zwangsprostitution in Bremen
Selten landen die Drahtzieher*innen vor Gericht. Manchmal aber doch. In Bremen macht aktuell ein Prozess von sich reden, bei dem eine Frau angeklagt ist, drei Nigerianerinnen zur Prostitution durch rituelle Magie gezwungen zu haben.
Unsere Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (kurz „BBMeZ“) kennt solche Fälle aus der Vergangenheit und hat bereits Betroffene begleitet.
Welche Bedeutung hat so ein Prozess für die betroffenen Frauen?
Nach wie vor sind es geschlechtsspezifische Gewalt, existentielle Armut, besonders in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, die Perspektivlosigkeit und die Hoffnung auf ein besseres Leben, die die Menschen bereit machen, ihre Heimatländer zu verlassen. Schwierige Lebenssituationen oder Krisen werden von den Täter*innen schamlos ausgenutzt. Das beste Beispiel war, dass ukrainische Geflüchtete in ihrer Not- und Hilflosigkeit schon an der Grenze von Täter*innen angesprochen wurden. Wie gut, dass Hilfsorganisationen vor Ort waren, um schlimmeres zu verhindern.
Bereits während ihrer Zwangslage wird den betroffenen Menschen gedroht, was ihnen und ihren Angehörigen passieren wird, wenn sie zur Polizei gehen und gegen die Täter*innen aussagen. Für die Betroffenen ist so ein Prozess deshalb eine sehr anstrengende und auch gefährliche Prozedur. Nicht nur für sie, sondern auch für deren Familienmitglieder, die in dem Heimatland oder in Deutschland leben. Die Betroffenen und deren Angehörigen müssen davon ausgehen, dass sie in lebensbedrohliche Situationen geraten.
Deshalb sind nur stabile Opferzeug*innen in der Lage, einen gerichtlichen Prozess durchzustehen. Dafür braucht es spezialisierte Fachberatungsstellen wie BBMeZ, die mit dem notwendigen Knowhow und Einfühlungsvermögen auf die Betroffenen eingehen können. Die betroffenen Personen müssen sich sicher fühlen und ihr Lebensstatus muss geklärt sein, z. B. indem der Aufenthalt, Alimentierung und sichere Unterbringung geklärt ist.
BBMeZ begleitet und unterstützt sie während des gesamten Ermittlungsverfahrens bei der Polizei und durch den Gerichtsprozess. Dabei ist die Vermittlung, der Kontakt und die Beauftragung von Anwält*innen und die Begleitung beim Beantragen von Prozesskostenhilfen die Aufgabe von BBMeZ.
Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende, die Betroffenen zu unterstützen. Stichwort: BBMeZ
Wieviele Frauen in Bremen sind Opfer von Menschenhandel wie diesem?
Aktuell hat BBMeZ keinen aktuellen Fall mit Juju-Schwur, aber wir haben in der Vergangenheit einige begleitet, die diesen Schwur abgeben mussten und uns davon berichtet haben. Die genaue Zahl von Betroffenen in Bremen ist nicht bekannt, es gibt sicherlich eine Dunkelziffer.
Es gibt Auswertungen vom KOK und vom BKA mit sehr unterschiedlichen Zahlen. Aus einer Datenerhebung zu Menschenhandel und Ausbeutung (Achtung, das kann auch Arbeitsausbeutung bedeuten) in Deutschland aus dem Jahr 2021 des KOK geht hervor, dass der Anteil von Menschen aus Nigeria mit 44, 26% am höchsten ist.
Warum sind vor allem Nigerianerinnen betroffen?
Uns ist nicht bekannt, dass der Juju-Schwur nur in Nigeria, sondern in ganz Westafrika vorkommt. Der Schwur ist auch nicht nur negativ belegt, aber die Täter*innen haben den Schwur für ihre eigenen Zwecke ausgelegt, um die Betroffenen in die Zwangslage zu bringen und zu halten. Er wird wie ein Instrument angewendet, der auf der spirituellen und psychischen Ebene wirkt.
In welcher Situation leben die Opfer in Bremen?
Die Betroffenen werden von außen diktiert, sie sind fremdbestimmt. Eine Person sagt ihnen, was sie machen sollen und die Betroffenen machen es dann. Die Betroffenen glauben an diesen Schwur sehr, sehr stark, deshalb leiden sie extrem und werden körperlich und seelisch krank. Aber sie denken, sie werden krank, weil sie den Schwur gegeben und etwas falsch gemacht haben und nicht wegen der Situation der Zwangsprostitution und ihrer Folgen.
Die Betroffenen berichten, dass sie oft in einer privaten Wohnung arbeiten und eine Madame mit ihrem Freund ihnen Anweisungen gibt und Termine organisieren.
Aber manche müssen auch in Bordellen arbeiten, die dann durch die Polizei kontrolliert werden, dann wird die Zwangsprostitution aufgedeckt. Dadurch erfährt BBMeZ davon.
Welche Zukunft erwartet sie?
Die Zukunft nach der Zeit der Ausbeutung ist nicht abgesichert. Ihr Aufenthalt ist unklar, sie sind psychisch erschöpft und haben gesundheitliche Langzeitfolgestörungen mit Flashbacks, Verfolgungsängsten und Depressionen. Viele Betroffene sind schwersttraumatisiert.
Ein Wunsch vieler unserer Klient*innen ist es, ein ganz normales Leben führen zu können: Schule; Ausbildung, Arbeiten, finanzielle Absicherung und wohlwollende Bezugspersonen.
Unsere Arbeit setzt an, wo diese Menschen aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer der Zwangslage entkommen konnten. Wir geben Unterstützung und Hilfestellungen bei dem Aufbau eines sicheren und selbstbestimmten Lebens, der Bearbeitung des Erlebten, der Versorgung der körperlichen und seelischen Verletzungen, der Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen sowie der Gestaltung der eigenen Zukunft.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, solchen Menschenhandel zu bekämpfen?
Wir können mit unserer Arbeit unsere Klient*innen dabei unterstützen, den Weg in ein normales Leben zu finden. Was wir nicht können, ist, die Ursachen, die eine Ausbeutung erst möglich machen, zu ändern: die Bekämpfung von Armut, die Beendigung von Kriegen, die Umsetzung von Frauenrechten, den kostenfreien Zugang zu Gesundheits- und Bildungssystemen, die Wahrung von Kinderrechten und körperlicher Unversehrtheit.
Aber natürlich benötigt unsere Beratungsstelle politische Beachtung und Unterstützung und finanzielle Sicherheit für unsere Arbeit für das Land Bremen. Die Finanzierung unserer Beratungsstelle muss gesichert sein, damit wir langfristig uns vernetzen und die Betroffenen in ihrer Situation begleiten können. Des Weiteren benötigt BBMeZ für eine sichere Lebensgrundlage der Betroffenen einen schnell geklärten Aufenthaltsstatus, Alimentierung und besonders für die Stabilisierungsphase eine besonders sichere Schutzunterkunft
Wir sind sehr auf Spenden angewiesen, damit wir viele Grundbedürfnisse der Betroffenen sichern können, z. B. Hygieneartikel, Dolmetscher*innen finanzieren und so weiter.
Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende, die Betroffenen zu unterstützen. Stichwort: BBMeZ